darktaxa-project: exhibition, Photon | Icon, 5-2019

Gruppenausstellung, Galerie Falko Alexander, Venloer Str. 24, 50672 Köln, 3.-31.5.2019

 

Kuratiert von Falko Alexander und Michael Reisch, Start des darktaxa-projects

 

Teilnehmende KünstlerInnen: Banz & Bowinkel, Arno Beck, Beate Gütschow, Alex Grein, Florian Kuhlmann, Achim Mohné, Susan Morris, Michael Reisch, Ria Patricia Röder, Roland Schappert

 

 

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Photon | Icon

 

Unter zeitgenössischen digitalen Bedingungen ist derzeit völlig unklar, was mit dem Begriff „Fotografie“ (sowohl im künstlerischen, als auch im allgemeinen Gebrauch) eigentlich gemeint ist, bzw. ob und wie man dieses Feld sinnvoll definieren soll.

 

Diese Frage stellt sich vehement im Hinblick auf die neuen digitalen Möglichkeiten und Anwendungen. Die Ausstellung Photon | Icon bringt nun in einer Art offenen Versuchsanordnung Arbeiten von KünstlerInnen zusammen, die mit Digitaler Fotografie, CGI, Photogrammetrie, Scanografie, Augmented Reality, Computergrafik, Motion-Capture, 3D/4D-Software, 3D-Scanning, etc. und jeglichen erdenklichen Mischformen dieser Werkzeuge/Tools arbeiten.

Die o.g. neuen technologischen Anwendungen sind größtenteils Visualisierungsverfahren, die auf „fotografischen“ Prinzipien basieren oder diese simulieren. D.h. den gezeigten Arbeiten sind in jeweils unterschiedlich starken Ausprägungen „fotografische Aspekte“ eingeschrieben, wobei die traditionellen fotografischen Sehmodelle in den jeweiligen Anwendungen teils übernommen, teils weiterentwickelt, verändert, gehackt, geglitcht, simuliert oder vollständig verlassen werden.

Als Kontrapunkt werden außerdem Arbeiten gezeigt, die nicht direkt mit den neuen Werkzeugen erstellt worden sind, diese aber auf verschiedene Weise thematisieren.

 

Ein Hauptaugenmerk der Ausstellung liegt dabei auf „neuen Bildern“, Bild-Findungen und -Erfindungen, „noch nicht Gesehenem“ und dem nach vorn gedachten generativen Potential der digitalen Arbeitsweisen (und weniger auf der Abbildung bestehender Sachverhalte, dem Rückgriff auf bestehendes Bildmaterial und Appropriation, auf retrospektiven fotohistorischen Bezügen oder Referenzen, etc.).

 

So haben sich in den letzten Jahren im Umgang mit den Bereichen des Digitalen, Virtuellen, Immateriellen und tendenziell nicht Fassbaren völlig neue, eigenständige Bildwelten und Arbeitsweisen entwickelt.

Die Ausstellung versucht den jüngsten Entwicklungen nachzugehen, wobei die gezeigten Werke eine eindeutige Lesart oder mediale Zuschreibung in positiver Art und Weise unterlaufen. Dies schließt eine Vereinnahmung unter dem Begriff „Fotografie“ mit ein, und anders als diese sind die neuen Arbeitsweisen nicht auf Sichtbarkeit und physikalische Existenz des Abgebildeten angewiesen. Vielmehr spielt in den gezeigten Arbeiten das Verhältnis von Präsenz und Absenz; realer Existenz zu Repräsentation und Simulation, „Realität“ zu Fiktion eine entscheidende Rolle. (Existieren die abgebildeten Bildgegenstände tatsächlich oder handelt es sich um Fiktionen, Simulationen, Renderings? Folgen die dargestellten Räume fotografischen, vertraut-zentralperspektivischen Gesetzen oder sind diese Räume errechnet, digital überformt, etc.?).

 

Dem Konzept „Bild“ kommt hier eine besondere Bedeutung zu, die meisten der gezeigten Arbeiten durchlaufen zunächst mehrere Transformationen, d.h. sowohl materielle als auch immaterielle Stadien. Am Ende der jeweiligen Produktionsprozesse steht bei allen beteiligten KünstlerInnen aber eine Entscheidung für ein physikalisch existentes „Bildobjekt“ mit Körper, Masse und Ausdehnung im realen (Ausstellungs-) Raum als finale Erscheinungsform der Arbeit. Das „Bild“ wird als substanzielle, faktische und materiale Erscheinung thematisiert, dem im Digitalen virulenten Thema der Auflösung und Immersion wird mit einem Gegenkonzept, einer eindeutigen Entscheidung für den realen Raum (Erfahrungsraum) begegnet.

 

In dem Dreiecksverhältnis Realität - Virtualität - Digitalität wird die Frage gestellt, inwieweit das „Fotografische“ als normative Kraft nicht nur für die neuen Arbeitsweisen und digitalen Werkzeuge, sondern in einem größeren Zusammenhang auch für unsere gesamte Wahrnehmung, für unser Wirklichkeitsverständnis unter digitalen Bedingungen fungiert.

Photon | Icon versucht, der Überlagerung, Verschmelzung und potenziellen Auflösung der medialen Kategorien, und den sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten vor dem Hintergrund des Digitalen nachzugehen. Wobei die „Fotografie“ und ihre Verständnismodelle in Teilen weitergeführt, oder, auch das steht zur Disposition, vollständig verlassen werden können, um auf längere Sicht neue, digital basierte Verständnismodelle zu konstituieren.

 

 

Michael Reisch, 2-2019

 

 

 

 

 

 

Beate Gütschow: HC#4, C-Print,148x115cm, 2018, Courtesy: Barbara Gross Galerie, München; Produzentengalerie Hamburg; Sonnabend Gallery, New York. © Beate Gütschow, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

 

In ihrer neuen Werkgruppe „HC“ setzt Beate Gütschow eine Kombination von mehreren digitalen Werkzeugen ein: mithilfe digitaler Fotografie und Photogrammetrie nimmt sie vorgefundene Motive aus der gegenwärtigen Architekturumwelt auf, diese werden durch den Einsatz von 3D-Programmen (Cinema 4D) sowie digitaler Bildbearbeitung (Photoshop) am Computer in ein „fotografisch“ anmutendes Bild mit schlüssigem Illusionsraum montiert (Composing). Allerdings ersetzt Gütschow die gewohnte und erwartete, „fotografisch“ konnotierte Zentralperspektive durch die „unnatürliche“ Parallelperspektive des 3D-Programms. Sie bezieht sich hierbei auf die bildliche Darstellung von Gärten im Mittelalter und der Frührenaissance (unmittelbar vor der Erfindung der Zentralperspektive), der Titel „HC“ steht für „Hortus Conclusus“. Das historische Zitat wird von Gütschow als bewusste Wahrnehmungsbrechung eingesetzt, die fotografisch geprägten Sehgewohnheiten und damit einhergehenden (vermeintlichen) Gewissheiten werden vor dem Hintergrund der neuen digitalen Möglichkeiten einer nachhaltigen Hinterfragung unterzogen.

 

 

 

 

 

 

Banz & Bowinkel: Installationview‚ ‚Monitor‘, 2013, Courtesy: Kunst und Denker, Düsseldorf

 

Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit des Künstlerduos Banz und Bowinkel ist eine digitale Rekonstruktion und Visualisierung „historischer“, prä-digitaler Monitore des 20.Jahrhunderts. Hierfür wird CGI, Computer-Generated-Imaging eingesetzt, wobei die „Monitore“ anhand von Konstruktionsplänen und historischen Abbildungen/Fotos digital nachgebildet bzw. simuliert werden. Abschließend werden die digitalen Renderings als Inkjet-Prints ausgedruckt und gerahmt ausgestellt. Die Vorgehensweise von Banz und Bowinkel ist in gewisser Weise „fotografisch“, da versucht wird einen (zumindest ehemals) existenten Sachverhalt naturgetreu abzubilden. Allerdings besteht im Moment der „Aufnahme“, der 3D-Rekonstruktion kein direkter Kontakt zu den Monitoren. Die „fotografische“ Wirkung der gerenderten Bilder beruht nicht auf traditionell-fotografischen, sondern ausschließlich auf ikonischen-, d.h. Ähnlichkeits-Aspekten. Die Verhältnisse Realität-Virtualität und Präsenz-Absenz spielen in Banz und Bowinkels „Monitor“-Arbeit eine zentrale Rolle.

 

 

 

 

 

 

 

Susan Morris: Motion Capture Drawing [ERSD]: View From Above, Archival inkjet on Hahnemühle paper, 150x250 cm, 2012, Courtesy Bartha Contemporary, London

 

Susan Morris arbeitet seit mehreren Jahrzehnten mit Motion Tracking-Geräten, z.B. mit einer Schlaf-Wach-Phasen aufzeichnenden Acti-Watch, die sie 5 Jahre ununterbrochen am Körper getragen hat. Die Daten für das in der Ausstellung gezeigte Bild Motion Capture Drawing (ERSD): View From Above sind hingegen in einem Motion-Capture-Studio aufgenommen. Morris Körper ist dabei mit 6 Reflektoren versehen (Hände, Kopf, Rücken), die jede ihrer Bewegungen beim Erstellen einer großformatigen Zeichnung (Pigment auf Papier) über den Zeitraum von 2 Tagen aufnehmen und digital abspeichern. Der resultierende Datensatz hat 3D-Koordinaten aufgezeichnet, und Morris arbeitet mit 3 unterschiedlichen 2D-Ansichten, die sich daraus ableiten: Seitenansicht, Vorderansicht und Aufsicht (letztere ist in der Ausstellung zu sehen). Die weißen Linien zeigen den Bewegungsverlauf der Reflektoren in diesem Zeitraum und in der Aufsicht auf den Raum. Jedes einzelne so entstandene „Bewegungsdiagramm“ wird als Inkjet-Print ausgedruckt und zu einem großformatigen Bild, wobei das Schwarz gedruckt ist und das Papier-Weiss der Linien nichtbedruckter Negativraum bleibt. Morris Arbeit beinhaltet auf den ersten Blick keine traditionellen „fotografischen“ Aspekte wie Gegenständlichkeit, Abbildtreue o.ä., aber sie sagt, dass ihre Arbeit eindeutige indexikalische Aspekte unter digitalen Bedingungen beinhaltet. Morris hat eine präzise nachvollziehbare digitale „Spur“, ein perfektes, in der Aufnahme 3-dimensionales „Abbild“ aller ausgeführten Bewegungen erstellt und maßstäblich visualisiert.

 

 

 

 

 

 

Michael Reisch: Ohne Titel (Untitled), 17/021, 75x60cm UV-Direct-Print on Dilite, 2018

 

Michael Reisch generiert zunächst in einem kameralosen Prozess mit Hilfe des Computers (Photoshop) digitale Interferenzen von schwarz-weißen Linien und Kurven. Es ergeben sich optische Täuschungen, man glaubt „Etwas“ zu erkennen, z.B. Schichtungen, Scheiben, Faltungen o.ä. Diese generierten „Gebilde“ (die im eigentlichen Sinn Illusionen sind) werden anschließend „materialisiert“, d.h. mithilfe von CAD-Programmen (Cinema 4D) am Computer nachempfunden, als „reale Objekte“ 3D-gedruckt und schließlich im Fotostudio fotografiert. Reisch fotografiert „Motive“, die es in gewisser Weise gibt - da sie 3D-gedruckt sind und in materialer Form existieren-, und die es wiederum „doch nicht gibt“ - da sie auf einer optischen Täuschung beruhen und keinerlei Ausgangspunkte in der „realen“ Welt haben. Er kehrt hierbei die konventionelle Richtung der „Fotografie“ um, die normalerweise von existenten Sachverhalten zu Informationen und Daten (Fotos) gelangt. In Reischs Arbeiten werden immaterielle Daten und Algorithmen zu faktischen und damit „fotografierbaren“ Objekten generiert und wiederum in Daten (Fotos) und Bilder „verwandelt“, wobei u.a. Fragen nach den Verhältnissen Realität-Virtualität, Präsenz-Absenz gestellt werden.

 

 

 

 

 

 

Achim Mohné: 3D-GOOGLE-EARTH-MODEL # 3, Galerie Falko Alexander Köln, 2019, 24x18x10 cm 3D Druck (Farbiger Pulverschichtdruck), Courtesy: Galerie Judith Andrae, Bonn

 

Achim Mohnés speziell für diese Ausstellung angefertigte Arbeit ist ortsbezogen: er zeigt ein 3D-gedrucktes Modell des Standorts und der direkten urbanen Umgebung der Galerie Falko Alexander, Venloer Straße 24, Köln. Dem maßstäblichen Modell liegt ein eigens entwickeltes, analog-digitales Verfahren zugrunde, bei dem Mohné nicht im realen Raum, sondern direkt in der Google-Earth-App mit virtuellen „Kamera-Drohnen“ von allen Seiten zahlreiche „Fotos“ des ausgewählten Ortes erstellt. Aus diesen virtuell erstellten „Fotos“ (Screenshots) wird mithilfe von Photogrammetrie im Computer ein 3-dimensionales, virtuelles Architekturmodell errechnet (gerendert), das dann schlussendlich 3D-gedruckt und ausgestellt wird. Das 3D-Modell „ähnelt“ in der Aufsicht, auch durch die mitfotografierte und 3D-gedruckte Farbigkeit, in frappierender Weise den zu Grunde liegenden Google-Earth-Satelliten-Fotos und erscheint auf den ersten Blick selbst eine Art „materiales Foto“ des Ortes zu sein. Mohnés Arbeit thematisiert u.a. das Verhältnis des realen Ortes zu seinen virtuellen Repräsentationen, seinen Avataren, die beide in der finalen Arbeit, dem 3D-gedruckten Architekturmodell, zusammengeführt werden. Sein Bezug zum existierenden Ort verleiht der Arbeit einen digital-referenziellen, abbildenden, „fotografischen“ Aspekt, der nicht zuletzt durch die zahlreich auftretenden Glitches bei der Transformation des realen Raums durch die Google-App, und durch die photogrammetrische Anwendung thematisiert und vor dem medialen Hintergrund hinterfragt wird.

 

 

 

 

 

 

 

Alex Grein: Falling, Archival Pigment Print,  70x46 cm, 2019, Courtesy: Galerie Gisela Clement, Bonn

 

Alex Grein nutzt sowohl selbst fotografiertes, als auch Found-Footage-Material. Die von ihr ausgewählten oder erstellten Fotos werden im Smart-Phone-Display aufgerufen, und mit Miniatur-Modellen von alltäglichen Gegenständen (z.B. speziell angefertigten Modell-Gläsern o.ä.) kombiniert, die auf das Display gelegt werden. Dieses Ensemble wird noch einmal abschließend hochauflösend fotografiert und als Inkjet-Print ausgedruckt. Im finalen Bild scheinen die maßstabsverkleinerten Gegenstände tatsächliche Fragmente des ursprünglich fotografierten Raums zu sein und in diesem auf seltsame Art und Weise zu schweben. De facto zitiert Grein mit dieser Vorgehensweise „Augmented-Reality“-Visualisierungen mit größtenteils einfachen, analog-digitalen Low-Tech-Werkzeugen, wobei alle ihre Arbeitsschritte in einem klassisch-dokumentarischen Sinne (digital-) fotografischer Natur sind, in der Kombination aber digitale Fragestellungen aufwerfen.

 

 

 

 

 

 

 

Florian Kuhlmann: SPACE TIME COORDINATES RENDERED IN BLACK ARIAL ON WHITE CANVAS SAVED AS RAW.TIF, letraset on whitewall, 2019

 

Florian Kuhlmanns reduzierte Textarbeit ist als schwarze Folie direkt auf die Wand geklebt. Seine Arbeit „SPACE TIME COORDINATES RENDERED IN BLACK ARIAL ON WHITE CANVAS SAVED AS RAW.TIF“ thematisiert sowohl die digitale „Fotografie“ (.raw und .tif sind übliche, fotospezifische Dateiendungen), als auch die Metadaten, die bei jedem digitalen Foto mitgespeichert werden. Diese „mitfotografierten“ Daten (geolocation, time, etc.) definieren jedes digital erstellte Foto als „Punkt in einer Raum-Zeit-Matrix“, wie Kuhlmann sagt, und spielen eine zentrale Rolle in der aktuellen, „visuell-fotografischen“ Vermaßung der Welt. Kuhlmanns medienreflexive
Textarbeit kann gleichzeitig Text und Bild, Nicht-Bild und Bild
gelesen/betrachtet werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ria Patricia Röder: Insert, 55x40 cm, scanogram, archival pigment print on aludibond, 2018

 

Ria Patricia Röder arbeitet mit Scanographie. Sie verwendet vorgefundene Gegenstände und eigens hergestellte Formen aus Papier o.ä., die auf das plane Scannerglas gelegt werden. Diese „Motive“ kombiniert sie mit vorab gescannten und ausgedruckten Abbildern dieser (oder weiterer) Gegenstände, so dass sich komplexe Kompositionen aus Realitäts- und Bildfragmenten ergeben. Alle auf dem Scannerglas arrangierten Fragmente sind bewusst positioniert und existieren als „Material“, wobei die verwendeten Bilder/Ausdrucke teilweise zusätzlich „analog“, also von Hand verformt werden. Die gewählten „Motive“ können im Bild mehrfach und in unterschiedlichen Varianten auftreten, Röder bezeichnet diese als „Deklinationen“. Die Künstlerin setzt weder Bildbearbeitungssoftware noch Renderings ein, der abschließende einmalige Scan ist der Endpunkt des Arbeitsprozesses. Das finale Bild hat eine „fotografisch-gegenständliche“ Anmutung, auch der Belichtungs- bzw. Scanvorgang kann als „fotografischer“ Prozess verstanden werden. Der abgebildete Raum der traditionellen „Fotografie“ ist in Röders Scanographien allerdings durch den Abstand zwischen Scannerglas und hinterstem Punkt der gescannten Motive definiert und (real auf ca. 30-50cm) komprimiert, wobei nur die unmittelbar im Vordergrund befindlichen Motivanteile scharf abgebildet werden. Das traditionelle zentralperspektivische Sehmodell und die Idee der statischen Projektion wird durch die bewegliche „Kamera“ des Scanners in Teilen außer Kraft gesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Roland Schappert: o. T. (SK5D), 2019, lichtechter Druck auf Aluminium, 112x89 cm, 2019

 

Roland Schappert geht in seiner Arbeit „SK5D“ (1993-2019) von einer klassischen „fotografischen“ Grundsituation aus. Nachdem er einfache 3-dimensionale geometrische Körper aus Holz angefertigt hat, fotografiert er diese analog aus verschiedenen Perspektiven. Von diesen Fotos werden Abzüge und von diesen Abzügen wiederum Fotokopien erstellt. Auf Basis der nunmehr 2-dimensionalen Umrisse dieser Körper auf den erstellten Fotokopien werden dann erneut 3-dimensionale geometrische Körper angefertigt usw. Schappert gelangt so zu mehreren Entwicklungsstadien von geometrischen Körpern und Fotografien/Fotokopien. Auf „SK5D“ sind acht 2-dimensionale Umrisse/Grundrisse verschiedener Stadien kombiniert und zu einer Komposition zusammengestellt. Aus Sicht der „Fotografie“ bleiben am Ende des Transformationsprozesses weder der perspektivische Illusionsraum der ursprünglichen Fotos noch sonstige repräsentierende Aspekte erhalten. Vielmehr reduziert Schappert in einer die „perspektivische Fotografie“ verneinenden und gleichzeitig „bildgenerierenden“ Geste die konventionelle
fotografische Bildsprache auf ein 2-dimensionales, schwarz-weisses, grafisch-abstrakt anmutendes Bild, das lediglich noch Spuren der mehrfachen Kopier- und Überschreibungsvorgänge aufweist. Die finalen schwarz-weissen Kopien werden schlussendlich digitalisiert (gescannt oder digital fotografiert) und auf Aluminium ausgedruckt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Arno Beck: Untitled, typewriter-drawing on japanese paper, 45x45 cm

 

Arno Beck erstellt seine Bilder mit einer Schreibmaschine. Er kombiniert vorgefundene Fotos (von z.B. Landschaften) mit grob gepixelten, grafischen Motiven aus älteren Computerspielen zu eigenen Kompositionen. Hierzu hat er ein System entwickelt, bei dem durch die Überlagerung von verschiedenen Buchstaben unterschiedliche Grauwerte erzeugt werden, das endgültige Bild wird dann in einem zeitaufwendigen Prozess zeilenweise von Hand „getippt“.
Obwohl es sich bei den so entstehenden Werken um technische Bilder handelt, werden weder die Fotografie, noch andere aktuelle digitale Werkzeuge und Verfahren direkt eingesetzt, diese werden vielmehr in einer Art Low-Tech-Haltung und durch Retro-Tech-Zitate thematisiert. Die digitale Rechenarbeit des Computers wird durch Becks körperliche Arbeit gespiegelt, das stoische Kopieren und „Abtippen“ jedes einzelnen „Pixels“ der fotografisch erstellten Bildvorlage gleicht die digital-maschinelle Zeit der Fotokamera und des Computers mit menschlichen Maßstäben ab.

 

 

Texte: Michael Reisch